Informationen zur genetischen Beratung für Patientinnen/Patienten und Ratsuchende

Was sind Hinweise auf genetische Erkrankungen?

Seltene Erkrankungen sind zu ca. 80% genetischen Ursprungs. In Deutschland sind etwa 4 Millionen Menschen von seltenen Erkrankungen betroffen (Angaben entsprechend Bundesgesundheitsministerium).

Genetische Erkrankungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie oft familiär gehäuft sind, das bedeutet, dass ein Krankheitsbild mehrfach in einer Vererbungslinie (die mütterliche oder die väterliche) aufgetreten ist.

Nicht alle familiären Krankheiten sind auf eine Veränderung in einem bestimmten Gen zurückzuführen (monogene Erkrankung). Diese können auch multifaktoriell bedingt sein, also aus einer Summe von genetischen und nicht genetischen Faktoren entstanden. Für multifaktorielle Krankheitsbilder sind die Möglichkeiten der genetischen Untersuchung oft begrenzt, die Unterscheidung zu seltenen monogenen Erkrankungen kann jedoch anspruchsvoll sein. Hier kann die humangenetische Vorstellung Klarheit bringen.

Auch zum heutigen Zeitpunkt sind noch nicht alle Krankheitsbilder ausreichend verstanden oder einer laborchemischen, bildgebenden oder genetischen Diagnostik zugänglich. In diesen Fällen kann eine Wiedervorstellung in größeren Zeitabständen erforderlich sein.
 

Was ist das Ziel der genetischen Beratung?

Grundlage der genetischen Beratung ist eine medizinische Fragestellung (s. hierzu auch „Was ist eine genetische Beratung?“). Die Fragestellung an sich ist häufig neutral, berührt jedoch in der Regel mehrere Lebensbereiche.

Das Ziel der genetischen Beratung ist daher abhängig von Ihren persönlichen Bedürfnissen und Interessen und wird im Vorfeld gemeinsam mit Ihnen definiert. Dabei müssen nicht zwangsläufig alle medizinischen Fragen beantwortet werden, die praktisch beantwortbar wären. Entscheidend ist, dass Sie am Ende der Beratung und Untersuchung so viele Informationen zur Verfügung haben wie Sie benötigen, um in Ihrer persönlichen Situation eine bewusste und angemessene Entscheidung für sich und Ihr Leben treffen zu können. Dieses Wissen zu vermitteln ist unsere Aufgabe.
Wir raten Ihnen nicht zu einer bestimmten Entscheidung, diese treffen Sie aufgrund Ihrer persönlichen Situation und anhand der ermittelten Ergebnisse oder Informationen.
Je nach Zielsetzung kann eine medizinische Fragestellung in beliebiger Tiefe und sowohl mit ganz einfachen als auch mit hochtechnisierten Mitteln untersucht werden. Die praktischen Grenzen hierfür entsprechen den Grenzen des menschlichen Wissens zum Zeitpunkt der Untersuchung. Da diese sich im Laufe der Jahrzehnte stetig erweitern, kann eine Wiedervorstellung im zeitlichen Abstand neue Erkenntnisse mit sich bringen.
Sollten sich Ihre Bedürfnisse im Verlauf verändern oder Sie weiteren Gesprächsbedarf haben, können Sie sich jederzeit erneut zu einem Gespräch vorstellen. Außerdem können Sie sich vor der Durchführung einer Untersuchung Bedenkzeit nehmen. Kommen Sie in diesem Fall einfach wieder auf uns zu.
 

Wie oft wird eine genetische Beratung durchgeführt?

Die Häufigkeit der Beratungstermine richtet sich nach dem Beratungsanlass.

Für viele Fragestellungen wird im Rahmen des Erstgesprächs eine Labordiagnostik veranlasst und der Befund in einem zweiten Gespräch mitgeteilt und besprochen. In bestimmten besonderen Situationen sind auch mehr als zwei Vorstellungstermine erforderlich.
Da die im Gespräch vermittelten Inhalte komplex sind, können zusätzliche Beratungsgespräche hilfreich sein. Sprechen Sie uns an, falls für Sie wichtige Punkte unklar geblieben sind oder Ihnen entscheidende Punkte erst im Nachgang des Gesprächs einfallen.
 

Wie muss ich mich vorbereiten?

Wir bitten, sofern vorhanden, sämtliche medizinische Unterlagen, die für den Beratungsanlass bedeutsam sind, zurechtzulegen. Damit während des Beratungstermins keine Zeit verloren wird, bitten wir Sie, die Unterlagen im Vorfeld der Beratung in Kopie bei uns einzureichen. In der Regel umfasst dies den letzten ausführlichen Arztbrief zu Ihrer medizinischen Fragestellung.

Für die Fragestellung nach einem angeborenen Syndrom (z.B. im Rahmen auffälliger Schwangerschaften) und Fertilitätsstörungen wie wiederholten Fehlgeburten sind der Mutterpass und ggf. Untersuchungshefte und Mutterpässe zu bereits geborenen Kindern in einer Familie relevant. Sofern vorhanden, können auch ältere Fotos des Kindes nützlich sein, wenn es sich um ein wiedererkennbares Syndrom handelt, das mit typischen Merkmalen im äußeren Erscheinungsbild einhergeht, die sich im Laufe der Jahre verändern können. Dasselbe gilt für Fotos und medizinische Befunde ähnlich betroffener Verwandter innerhalb der Familie.
Bei der Fragestellung (unerfüllter) Kinderwunsch ist eine symmetrische Untersuchung beider Partner indiziert.

Sollte bereits ein genetischer Befund in der Familie zur medizinischen Fragestellung vorliegt, bitten wir Sie, diesen zum Beratungsgespräch mitzunehmen. Bitte beachten Sie, dass wir bei uns erhobene medizinische Befunde Ihrer Angehörigen nur mit Ihnen besprechen dürfen, wenn uns hierzu eine entsprechende schriftliche Erlaubnis der/des Angehörigen vorliegt. Diese wurde entweder im Rahmen der schriftlichen Einverständniserklärung nach Gendiagnostikgesetz (GenDG) erteilt oder sie muss schriftlich am Tag der Beratung vorgelegt werden. Sprechen Sie daher bereits im Vorfeld mit Ihren Angehörigen, ob sie Ihnen eine solche Erlaubnis erteilen bzw. Ihnen den Befund mitgeben möchten.
 

Wie läuft eine genetische Beratung ab?

Zuerst wird die Fragestellung geklärt. Hierbei werden sowohl medizinische als auch persönliche Fragen berücksichtigt. Dann wird die persönliche und familiäre medizinische Vorgeschichte erhoben und ein Stammbaum erstellt. Sollten Sie um weitere Erkrankungen in der Familie wissen, die für Ihre Fragestellung bedeutsam sind oder sein könnten, werden die entsprechenden familiären Befunde miteinbezogen, sofern sie uns zum Beratungszeitpunkt bekannt sind (s. auch „Wie muss ich mich vorbereiten?“). Manchmal wird auch eine körperliche Untersuchung erforderlich, ggf. mit Fotodokumentation oder eine weitere Überweisung zu einem Facharzt (beispielsweise Augenarzt oder Kardiologe), entweder vor oder ergänzend zu einer genetischen Labordiagnostik. Ergibt sich aus den Befunden eine unmittelbare Verdachtsdiagnose, klären wir Sie das weitere diagnostische Vorgehen und mögliche Konsequenzen oder Ergebnisse auf. Für die Durchführung der genetischen Labordiagnostik benötigen wir Ihr schriftliches Einverständnis.

Sofern Sie vor der Untersuchung noch Bedenkzeit brauchen, vereinbaren wir einen zweiten Termin für die Blutentnahme. Ansonsten kann diese unmittelbar im Anschluss an das Gespräch stattfinden. Wird eine Stufendiagnostik mit ggf. umfangreicher Untersuchung mehrerer Gene vorgenommen, kann diese, je nach Fragestellung, mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. Wenn Sie unmittelbar nach dem Termin keine Ergebnisse erhalten, ist dies also kein Grund zur Beunruhigung.  Fragen Sie uns gerne schon im Termin nach den voraussichtlichen Bearbeitungszeiten.

Sobald uns die Ergebnisse vorliegen, bitten wir Sie erneut zu einem Gespräch, erläutern den genetischen Befund und die sich hieraus ergebenden weiteren Vorsorgemaßnahmen, Familienuntersuchungen oder weiterführenden diagnostischen Schritte.  

Da die vermittelten Inhalte komplex sind, erstellen wir im Anschluss einen humangenetischen Beratungsbrief. Der Brief ist an Sie persönlich gerichtet, kann jedoch auf Wunsch auch an mitbehandelnde Ärzte verschickt werden. Sämtliche Vorgänge und Inhalte der Beratung und Diagnostik sind darin enthalten und können in dieser Form von Ihnen zu anderen Facharzt- und Vorsorgeterminen mitgeführt werden.
 

Wer berät und wo findet die Beratung statt?

Die genetische Beratung wird in den Räumlichkeiten des MVZ Labor Dr. Brunner von Frau Dr. Bickmann (Fachärztin für Humangenetik und Laboratoriumsmedizin) durchgeführt.
 

Wer sollte zum Beratungsgespräch mitkommen?

Es sollte immer mindestens die Person erscheinen, bei der eine medizinische genetische Abklärung erfolgen soll. Bei Paaren mit Kinderwunsch bzw. Untersuchung auf Anlageträgerschaft einer familiären Erkrankung werden in der Regel beide Partner untersucht. Dies ist notwendig, um eine zuverlässige humangenetische Einschätzung vornehmen zu können und Ihnen Möglichkeiten für das weitere Vorgehen aufzuzeigen.

Bei der Fragestellung (unerfüllter) Kinderwunsch ist eine symmetrische Untersuchung beider Partner indiziert. Daher bitten wir Sie, in diesem Fall gemeinsamen zum Termin zu erscheinen.

Bei größeren Sprachbarrieren bitten wir um Begleitung eines geeigneten Dolmetschers.
 

Wer darf außerdem zum Beratungsgespräch mitkommen?

Es gibt Situationen, in denen der Beistand von einer Vertrauensperson hilfreich sein kann (beispielsweise bei genetischen Untersuchungen von gesunden Angehörigen, die ihr Erkrankungsrisiko abschätzen lassen möchten /präsymptomatische Testung). Dabei kann, aber es muss sich nicht um ein Familienmitglied handeln, das Sie zum Termin begleitet. Sie entscheiden selbst, wer bei Ihrem Beratungsgespräch anwesend sein soll.

Es ist empfehlenswert, die Teilnehmerzahl auf die notwendige Anzahl zu begrenzen, damit ein fokussierter Ablauf gewährleistet ist.
 

Was kostet eine genetische Beratung oder Untersuchung?

Humangenetische Leistungen sind regulärer Bestandteil des Versorgungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen. Voraussetzung ist die Überweisung durch eine(n) mitbehandelnde(n) Ärztin/Arzt. Seit dem 08.04.2022 sind wir sowohl im Rahmen der privaten als auch der gesetzlichen Krankenversicherung tätig.

Da Privatversicherte häufig in Vorleistung gehen, fertigen wir Ihnen bei sehr teuren Untersuchungen einen Kostenvoranschlag an, den Sie vor der Untersuchung bei Ihrer privaten Krankenkasse einreichen können. Die Untersuchung wird erst begonnen, wenn uns eine entsprechende Kostenübernahmezusage vorliegt.
Untersuchungen bei Privatversicherten werden nach dem üblichen GOÄ-Satz abgerechnet.
 

Welchen Vorteil bringt es, meine Daten und Unterlagen länger als 10 Jahre aufzuheben?

Laut Gesetzgeber müssen die Daten und Unterlagen zur genetischen Beratung mindestens 10 Jahre lang aufgehoben werden. Nach dieser Frist müssen alle Unterlagen vernichtet werden, es sei denn, es liegt eine schriftliche Erlaubnis vor, diese länger zu aufzubewahren.

Wissen ist begrenzt, es wird jedoch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte immer umfangreicher. Auch heute können nicht alle medizinischen Fragen zufriedenstellend beantwortet werden. Deshalb kann es von großer Bedeutung sein, eigene und familiäre Vorbefunde im Verlauf erneut zu betrachten, vorausgesetzt diese sind noch verfügbar.

Aus diesem Grund bieten wir an, alle Unterlagen zur genetischen Beratung und Untersuchung über die gesetzliche Frist von 10 Jahren hinaus aufzubewahren.
 

Ausgewählte Fragestellungen (häufige Themen der genetischen Beratung)

Unerfüllter Kinderwunsch und/oder wiederholte Fehlgeburten
Wiederholte Fehlgeburten oder Fertilitätsstörungen können in seltenen Fällen auf eine Chromosomenstörung oder auf eine medizinische Grunderkrankung bei einem der Partner zurückzuführen sein. Wir schauen uns Ihre persönliche medizinische Vorgeschichte und die Ihres Partners/Ihrer Partnerin und Ihrer jeweiligen Familien an und veranlassen nach einer ersten Einschätzung weiterführende Labordiagnostik. Zur Abklärung eines unerfüllten Kinderwunsches kann eine Untersuchung der Chromosomen beider Partner sowie ggf. eine gezielte Labordiagnostik bei einem der Partner wegweisend sein. Sofern sich hierbei Auffälligkeiten ergeben, zeigen wir Ihnen mögliche Handlungs- und Vorsorgeoptionen vor oder während der nächsten Schwangerschaft auf und unterstützen Sie auch weiter in der Schwangerschaft.

Im Rahmen dieses Gesprächs können wir auch andere familiäre Krankheitsbilder näher betrachten, sofern diese Ihnen bekannt und für Ihren jetzigen Kinderwunsch von Bedeutung sind. Sofern eine Blutsverwandtschaft zwischen Ihnen als Partnern vorliegt und dies gewünscht wird, beraten wir Sie zu möglichen gesundheitlichen Risiken für Ihre gemeinsamen Nachkommen und ggf. weiteren diagnostischen Möglichkeiten.

Auffällige Schwangerschaft
Ein auffälliger Ultraschallbefund während der Schwangerschaft kann die Welt buchstäblich auf den Kopf stellen. Eine humangenetische Abklärung hilft dabei, die Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende angeborene Entwicklungsstörung beim Ungeborenen näher einzuschätzen. Bei Bedarf können auch spezialisierte Kinderärztinnen und -ärzte zur Beratung hinzugezogen werden. Sowohl bildgebende als auch labordiagnostische Verfahren kommen hierbei zum Einsatz. Die Diagnose wird zumeist interdisziplinär in Zusammenarbeit mit den behandelnden Frauenärzten und -innen gestellt.

Wurde bereits eine Chromosomenstörung in der Schwangerschaft diagnostiziert, beraten wir Sie zu den zu erwartenden gesundheitlichen Risiken vor und nach der Geburt. Unsere Beratung ist ergebnisoffen und richtet sich nach Ihren persönlichen Bedürfnissen. Wir möchten Sie mit unseren Informationen in der Entscheidungsfindung unterstützen. Zudem vermitteln wir Ihnen Beratungsangebote gemäß Schwangerenkonfliktgesetzes und stellen auf Wunsch Kontakt zu Selbsthilfegruppen her. Es gibt viele Angebote gemeinnütziger Vereine, die Sie in dieser Phase Ihres Lebens zusätzlich unterstützen könne. Sprechen Sie uns bei Bedarf gerne einfach an.

Familienplanung bei bekannter familiärer Erberkrankung
Wir besprechen mit Ihnen das Krankheitsbild und seine möglichen Auswirkungen auf Ihre Nachkommen. Anhand von Populationsdaten berechnen wir die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung der Erkrankung bei Ihren Nachkommen und bieten eine Untersuchung auf Anlageträgerschaft bei Ihnen und Ihrem Partner/Ihrer Partnerin an. Sofern anwendbar besprechen wir auch die Möglichkeiten einer vorgeburtlichen Diagnostik. Sofern die Diagnose bei einem Angehörigen bereits gesichert wurde, benötigen wir den genetischen Befund. Andernfalls empfiehlt sich, zunächst eine humangenetische Abklärung bei Ihrem Angehörigen vorzunehmen. Bitte besprechen Sie dies mit Ihrer Familie.

Familiäre Tumorerkrankungen
Eine Reihe von Krebserkrankungen kann auf genetische Ursachen zurückgeführt werden. So ist bekannt, dass etwa bei etwa 5% aller Mammakarzinome (Brustkrebs) eine genetische Ursache im engeren Sinne zugrunde liegt. Bei Dickdarmkrebs sind schätzungsweise 2-3% genetisch bedingt. Bei Eierstockkrebs wird entsprechend der aktuellen Leitlinie bei allen Patientinnen eine genetische Beratung empfohlen.

Bei einer entsprechenden genetischen Belastung treten Krebserkrankungen bei den Betroffenen häufiger und in einem jüngeren Alter auf als in der Allgemeinbevölkerung. Die allgemeinen Vorsorgemaßnahmen sind meistens nicht ausreichend. Erkennbar sind familiäre Tumorerkrankungen auch an einer überdurchschnittlichen Häufung von Krebserkrankungen in der mütterlichen oder väterlichen Verwandtschaft oder bei den eigenen Geschwistern, was jedoch nicht immer zwingend der Falls sein muss.

Der genetische Befund hat oftmals Auswirkungen auf die Therapie, die Planung der weiteren Vor- bzw. Nachsorge einer erkrankten Person sowie die Vermeidung von Tumorerkrankungen bei weiteren Angehörigen durch gezielte Vorsorge.

Die genetische Untersuchung wird bei jemandem durchgeführt, der selbst erkrankt ist (Index). Wenn eine krankheitsverursachende genetische Veränderung nachgewiesen werden konnte, kann der Befund genutzt werden, um das Erkrankungsrisiko bei weiteren Angehörigen einzuschätzen und deren weitere Vorsorge zu planen (prädiktive bzw. präsymptomatische Testung).

Nicht in allen Fällen, in den der begründete Verdacht auf eine erbliche Ursache besteht, kann diese auch gefunden werden. Wenn keine genetische Ursache ermittelt werden konnte und der Verdacht weiterbesteht, richtet sich die weitere Vorsorge nach den eigenen und familiären Befunden. Dann kann Angehörigen allerdings keine gezielte genetische Untersuchung zur Einschätzung ihres Erkrankungsrisikos angeboten werden.

Ein Teil der familiären Krebserkrankungen tritt familiär gehäuft auf, ist jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf eine einzige, sondern auf viele genetische und nicht genetische Faktoren zurückzuführen, die nicht näher untersuchbar sind (multifaktorielles Krankheitsbild). In diesen Fällen kann trotzdem eine Anpassung der Vorsorgemaßnahmen sinnvoll und wichtig sein.

Wir beraten Sie anhand Ihrer persönlichen und familiären Vorgeschichte zu Ihren eigenen Erkrankungsrisiken und den Maßnahmen, die getroffen werden können, um eine Erkrankung zu vermeiden.

Zusätzlich empfehlen wir allen Betroffenen und Ihren Familien eine psychoonkologische Anbindung, die sie bei der Entscheidungsfindung und Krankheitsverarbeitung unterstützt.

Erblicher Brust- und Eierstockkrebs
Entsprechend neuerer, großangelegter Untersuchungen ist bekannt, dass etwa 5% aller Mammakarzinome (Brustkrebs) genetisch bedingt sind (monogen). Die häufigste Ursache sind Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2, die gleichzeitig auch mit einem erhöhten Risiko insbesondere für Eierstockkrebs einhergehen. Mittlerweile sind jedoch noch eine Reihe weiterer Gene als ursächlich beschrieben, die auch für andere Krebserkrankungen als Eierstockkrebs (beispielsweise Magenkrebs) prädisponieren. Typisch für BRCA1- oder BRCA2-Keimbahnmutation ist das Auftreten von Brustkrebs vor der Menopause und eine Häufung von Eierstockkrebs in einer Familie. Auch Männer können ein erhöhtes Krebsrisiko beispielsweise für Brustkrebs haben, sie erkranken jedoch deutlich seltener. Ein auffälliger genetischer Befund hat sowohl Bedeutung für die Betroffenen selbst als auch für die weiteren blutsverwandten Angehörigen. Der genetische Befund ist einerseits ausschlaggebend für die weitere Vorsorge und/oder Nachsorge andererseits spielt er in manchen Fällen auch eine Rolle für die weitere Therapie (beispielsweise für die Anwendung bestimmter Medikamente wie PARP-Inhibitoren). Ob eine genetische Diagnostik durchgeführt werden sollte, entscheidet sich anhand diagnostischer Kriterien, wobei sowohl die eigenen als auch die familiären Befunde Berücksichtigung finden.
Wenn bei Ihnen der Verdacht auf einen erblichen Brust- oder Eierstockkrebs besteht, erheben wir einen ausführlichen Stammbaum, sichten Ihre persönlichen und die familiären Befunde und besprechen dann, ob und ggf. welche genetische Untersuchung bei Ihnen in Frage kommt. Bei Nachweis einer krankheitsverursachenden genetischen Veränderung beraten wir Sie zu Ihren Tumorrisiken und unterstützen Sie bei der Planung der Vorsorgeuntersuchungen. Mit Ihrem Einverständnis können sich dann auch gesunde blutsverwandte Angehörige auf diese Mutation untersuchen lassen, um ihr eigenes Erkrankungsrisiko einzuschätzen und die weitere Vorsorge zu planen.

Nicht bei allen Patientinnen und Patienten kann in diesen Fällen ein eindeutiger genetischer Befund erhoben werden. In diesen Fällen schätzen wir Ihr Erkrankungsrisiko statistisch ab und passen die Vorsorgeempfehlungen an Ihre Situation an.

Einschlusskriterien anhand der aktuellen S3-Leitlinie und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO, Kommission Mamma)

Familien mit (je aus einer Familienseite/ Vererbungs- linie):

  • mindestens drei an Brustkrebs erkrankten Frauen unabhängig vom Alter
  • mindestens zwei an Brustkrebs erkrankten Frauen, von denen eine im Alter unter 50  erkrankt ist
  • mindestens einer an Brust- und einer an Eierstockkrebs erkrankten Frau
  • mindestens einer an Brust- und Eierstockkrebs erkrankten Frau
  • mindestens zwei an Eierstockkrebs erkrankten Frauen
  • mindestens einer an beidseitigem Brustkrebs erkrankten Frau mit einem Ersterkrankungsalter vor dem 51. Geburtstag
  • mindestens einer an Brustkrebs erkrankten Frau vor dem 36. Geburtstag
  • mindestens einem an Brustkrebs erkrankten Mann und mindestens einem/einer weiteren Erkrankten an Brust- oder Eierstockkrebs

Zusätzliche Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO, Kommission Mamma)

  • Eigene Erkrankung mit triple-negativem Mammakarzinom (TNBC) mit Erkrankungsalter ≤ 60 Jahre
  • Eigene Erkrankung mit Ovarialkarzinom
  • Bei therapeutischer Relevanz (z.B. PARPi)

Erblicher Darmkrebs
Man schätzt, dass bis zu 3% der Darmkrebserkrankungen erblich sind. Dabei stellt das Lynch-Syndrom (auch Hereditäres Nicht-Polypöses Kolonkarzinom/HNPCC genannt) die häufigste Ursache dar. Das Lynch-Syndrom kann neben Darmkrebs auch Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinome) sowie andere Tumore des Verdauungstrakts und der ableitenden Harnwege, selten auch des Nervensystems oder Haut hervorrufen. Diese Tumore treten in ungewöhnlicher Häufung und in jeweils untypischen, jungen Lebensaltern auf. Eine genetische Untersuchung ist bei Erfüllung diagnostischer Kriterien indiziert.

Zudem prädisponieren sogenannte Polyposis-Syndrome zu Tumoren im Gastrointestinaltrakt und anderen Organen (z.B. Schilddrüse). Je nach zugrundeliegendem Syndrom ist eine angepasste Vorsorge erforderlich, um ggf. frühe Tumorstadien rechtzeitig zu erkennen. Die Diagnose wird anhand molekulargenetischer Untersuchungen, den biologischen Eigenschaften der aufgetretenen Tumore,  der persönlichen und der familiären Befunde gestellt.

Bei entsprechendem Verdacht beurteilen wir die Befunde Ihrer eigenen Erkrankung und die Ihrer Familie und veranlassen die genetische Untersuchung, wenn genügend Hinweise auf eine erbliche Ursache vorliegen. Nachdem die Diagnose gesichert wurde, erhalten Sie von uns Empfehlungen für die weitere Vorsorge, gelegentlich spielt die Diagnose auch eine Rolle für die weitere Therapie. Wenn Sie Ihren Befund Ihrer Familie zur Verfügung stellen, können sich auch Ihre Angehörigen auf die genetische Veränderung gezielt untersuchen lassen, um zu erfahren, ob sie ebenfalls von einem erhöhten Krebsrisiko betroffen sind und eine intensivierte Vorsorge benötigen.

Leider sind auch zum heutigen Zeitpunkt nicht alle genetischen Veränderungen bekannt, die zu einem erhöhten Tumorrisiko führen können. Unter anderem deshalb gelingt nicht in allen Familien der Nachweis einer krankheitsverursachenden genetischen Veränderung. In diesen Fällen kann trotzdem ein intensiviertes Untersuchungsprogramm notwendig sein, um zukünftige Krebserkrankungen rechtzeitig zu erkennen. Auch in solchen Situationen unterstützen wir Sie bei der Planung Ihrer Vorsorge und ggf. der Ihrer Angehörigen.

Wichtige Links inkl. Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen (Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Tumorerkrankungen

Leitlinien und Empfehlungen gynäkologische Onkologie Kommission Mamma https://www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma

Hilfe bei familiären Krebserkrankungen https://www.brca-netzwerk.de/

Deutsches Konsortium familiärer Darmkrebs https://www.hnpcc.de/lynch-syndrom.html

Familienhilfe Darmkrebs https://www.semi-colon.de/

 Arbeitsgemeinschaft deutscher Darmkrebszentren https://www.ag-darmzentren.com/zertifizierte-darmkrebszentren/zentren-in-deutschland

Familienhilfe Polyposis (Familiäre Adenomatöse Polyposis) https://familienhilfe-polyposis.de/

LFSA Deutschland e.V. (Li-Fraumeni-Syndrom) https://lfsa-deutschland.de/

OncoMap der Deutschen Krebsgesellschaft, registrierte Behandlungszentren für Tumorerkrankungen https://www.oncomap.de/centers

Schwangerschaft

Arzneimittelsicherheit und Besonderheiten der Therapie bei ausgewählten häufigen Krankheitsbildern in Schwangerschaft und Stillzeit https://www.embryotox.de/

Online-Suche für Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung https://www.familienplanung.de/beratung/beratungsstelle-finden/

https://www.dein-sternenkind.eu/

http://www.schmetterlingskinder.de/

https://www.fruehgeborene.de/